Apokalpyse-Modus Überforderung bei Perfektionismus führt oft zu einer negativen Gedankenspirale

Apokalypse-Modus – Schlimmer geht immer

Eigentlich wollte ich heute über meine Pläne für 2025 schreiben, aber diese Woche wurde mir mehrmals von einem Phänomen berichtet, das ich „Apokalypse-Modus“ nenne.
Der Apokalypse-Modus ist der Moment, wenn das Hirn in völlig überzogene Szenarien des persönlichen Untergangs abdriftet und sich eine Horrorvision nach der anderen ausmalt – jede schlimmer als die vorherige. Meist ist das Hirngespinst begleitet von apokalyptischen Chören (natürlich dissonant, gruselig murmelnd, teils gröhlend), die singen: „Du kannst das nicht, Du schaffst das nicht, warum hast Du je gedacht, dass Du das könntest.“

Ich habe mit einer sehr erfolgreichen Geschäftsfrau gesprochen, die seit über 20 Jahren in ihrer Nische tätig ist, die sie sich selbst geschaffen hat. Jedes Mal, wenn ein neuer Auftrag kommt, denkt sie: „Das ist er, der Auftrag, an dem ich scheitern werde.“ Und dann kommt das fantastische Kopfkino und die Fanfaren der Apokalypse. Statt Freude über den neuen Auftrag, die Herausforderung, die spannende Aufgabe, verspürt sie blanke Überforderung – und viel zu viele Emotionen.

Sprüche wie: „Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben“ helfen da wenig. Wir Perfektionist:innen wissen das. Wir wissen auch, dass wir dieses Gefühlschaos nicht wollen, weil es anstrengend ist, Energie kostet. Und – na ja – manchmal nicht mehr viel fehlt, bis die innere Aufgewühltheit sich nach außen zeigt: in Tränen, einem Wutausbruch oder einer anderen Reaktion. Vor Publikum ist das besonders unangenehm.

Also, liebe Mitmenschen, die ihr das auch kennt: I feel you. Es ist normal, und es geht vorbei. Und auch wenn es nicht normal wäre – es ist okay. Tränen sind okay. Ist halt so.

Was kannst Du tun im ersten Taumel des „Viel-zu-Viel“?
Atmen. Denn atmen ist immer sinnvoll.
Du kannst Deinem Apokalypse-Modus einen Namen geben. Hugo, Gundula oder Friedegunde – ganz wie Du willst. Begrüße ihn, wenn er auftaucht: „Hey, Du auch wieder da?“
Nach dem Atmen kommt die Akzeptanz. Denn dagegen ankämpfen oder verdrängen bringt nichts – da müssen wir nicht erst Freud lesen.

Wenn uns in all dem Taumel nach ein wenig Scherzen zumute ist, können wir überlegen, wie viele tolle Horrorromane wir mit unserer prächtig wuchernden Fantasie füllen könnten. Ich glaube übrigens nicht, dass „Frankenstein“ tatsächlich aus einem Albtraum entstanden ist. Dieser Entstehungsmythos ist sicher nur eine gute Geschichte.
Die Perfektionismusforschung datiert man auf die 1950er-Jahre. Mary Shelley wurde vielleicht einfach von ihrem Kind gebeten, den armen Hasen zu beerdigen, den Jagdhund Spencer gerade gerissen hatte. Völlig geekelt und überfordert, galoppierte ihr Hirn los: Was passiert wohl mit all den halben Hasen, Fasanen und Aylesburyenten? Dann fiel ihr Blick auf die angrenzenden Friedhofsmauern – und zack, Frankenstein war geboren. Noch ehe der tote Hase ganz mit Erde bedeckt war und dann war da noch der Teich mit den Enten rechts von ihr, sie konnte gar nicht mehr in die Richtung schauen.

Weil mir diese Woche so viele Mit-Perfektionist:innen von ihren Überforderungsthemen erzählt haben, habe ich beim Kurs „Easement“ einen neuen Bonus ergänzt: die Erste-Hilfe-Box für den Apokalypse-Modus.

*Das ist übrigens Januar auf Österreichisch (so wie es hier auch alternative Gepflogenheiten bei den Artikeln für Butter, Teller oder Limo gibt).