Perfektionist:innen sind in vielen Dingen richtig gut. Aber Perfektionismus ist nicht nur Leistungsbereitschaft. Das OCEAN-Model reduziert Perfektionismus auf hohe Gewissenhaftigkeit bei niedriger emotionaler Stabilität. Ich arbeite ganz gerne mit diesem Modell, weil es bestimmte Mechanismen sehr treffend beschreibt.
Die Versagensangst, die Angst, Fehler zu machen – ja, die findet sich genau dort: in der niedrigen emotionalen Stabilität (auch bei Nicht-Perfektionist:innen, von denen hier welche mitlesen). Manchmal ist die perfektionistische Gewissenhaftigkeit nicht nur in der Leistung nach außen zu finden, sondern auch in der Demontage nach innen. Ja, Perfektionist:innen sind auch richtig gut sich Anti-Pep-Talks zu geben, sich selbst wunderbar selber zu demotivieren, Selbstvorwürfe, Selbstzweifel und dann eben auch jede Menge Selbstsabotage.
Manchmal nenn ich das ganz zart sich „selbst im Weg stehen“. Denn wer sich selbst im Weg steht, kann da auch rausgehen, sich den Weg freimachen. Das Bild schafft Perspektive.
Und nun wieder zurück zu den Techniken, die das nicht schaffen.
Sich die Ziele zu hoch stecken kann tatsächlich eine Form von Selbstsabotage sein. Ich steck mir die Ziele ganz hoch, ich sehe wie ich sie nicht erreiche, ich habe mir selber bewiesen, dass ich es nicht kann, dass das sowieso nichts wird, ich kann das jetzt lassen. Ich kann weiter in dem Dahintrotten, wo ich schon bin, ich muss da nicht raus gehen und vielleicht total damit versagen. Juhu, ich hab mich vorm Scheitern bewahrt und mich vielleicht erfolgreich so weit demotiviert, dass ich das sehr lang nicht mehr ausprobieren mag. Zu den unerreichbaren Zielen gibt es schon einen Artikel von mir.
Das Paradestück der selbstsabotierenden Versagensangst ist der Apokalypse-Modus. Das ist jener Zustand der Überforderung, in dem mein Gehirn Loopings dreht und sich äußerst gewissenhaft und sehr plastisch vorstellt wie schief etwas wirklich schief gehen kann und was dabei noch alles untergeht. Die negative Gedankenspirale im Perfektionismus ist dabei exzeptionell gut, also nicht nur ein bisserl Zweifel und Bedenken, sondern totaler Weltuntergang. Deshalb spreche ich von Apokalypse-Modus.
Und es gibt die Selbstsabotage der Versagensangst in ganz banaler Form – der Unflexiblität Neues auszuprobieren. Nein, nicht überall, aber dort wo das Nicht-Gelingen weh tut, da wo man sich vorm Scheitern auf alle Fälle absichern will.
Das kann auf allen Ebenen sein – das kann die Weihnachtstradition sein, die man beibehält, obwohl sie schön längst niemandem mehr ganz entspricht, aber das Neue könnte noch viel weniger entsprechen und dann ist Weihnachten wirklich gescheitert. Und dann ist sicher auch die Person schuld, die das Neue vorgeschlagen hat.
Oder: man bleibt halt weiter im Job, obwohl ich einen Teil der Tätigkeit nicht besonders mag, mich das sogar regelmäßig außer Tritt bringt und eigentlich ziemlich stresst und ich einige meiner Vorgesetzten nicht besonders leiden kann.
Oder: das Zuhause, das über die Jahre viel zu groß und verwinkelt geworden ist, schwer zu reinigen ist und die anstehenden Reparaturen, … aber so ein Umzug, wer weiß ob ich die Gegend mag, ich habe noch nie in einer Wohnung gelebt, noch nie etwas gemietet.
Oder: die Geschäftsidee, die man wirklich umsetzen willst, aber sie kann schief gehen, also will man sich wirklich gut vorbereiten und macht einen Start-Up-Workshop nach dem anderen, nur beim Pitchen, da macht man nicht mit. Vielleicht erzählt man sich noch, dass einem so niemand die Ideen klauen kann, die man bisher nur den anderen in den Start-Up-Workshops erzählt hat.
Und natürlich kann man in Beziehungen durch Versagensangst sich und sein Glück sabotieren – Beziehung in der Familie, Freundeskreis und natürlich bei Paarbeziehungen – das kann sich als generelle Bindungsangst äußern, dem Suchen von Fehlern bei Partnerin oder Partner und der fehlenden Einsicht den eigenen Anteil an einer Situation wahrzunehmen. Sogar bei der Wahl von Partnerin und Partner kann uns die Versagensangst sehr im Weg stehen.
Was hilft nun gegen Versangensangst?
Ein mehrschichtiger Ansatz ist hilfreich – und Therapie ist immer ein guter Start.
Es gibt vieles, das Dir hilft mit Versangensangst besser umzugehen:
- Akzeptanz, dass man bisher aus Selbstschutz so agiert hat. Angst ist wichtig in unserem Leben. Bei Versagensangst – da geht es darum uns vor anderen nicht zu blamieren, die Angst, das alle sehen, das wir etwas nicht schaffen. Sie kann nützlich sein, wenn wir uns dadurch besser mit einem Thema auseinandersetzen und uns gut vorbereiten. Meist blockiert sie aber schnell.
- Akzeptanz, dass Scheitern und Fehlermachen zu jedem Prozess gehört. Wir hätten weder Laufen noch Sprechen gelernt, hätten wir als Babys Versagensangst gehabt.
- Natürlich helfen realistische Ziele und reduzierte Ansprüche.
- Manchmal ist es sinnvoller beim Selbstwert noch mal genau zu schauen, wo da Glaubenssätze und Annahmen sind, die uns nicht mehr dienlich sind.
Im Kurs „Easement“ gibt es als Schritt 1 in der ersten Woche eine Meditation, in der man sich eigene Affirmationen aus seinem Leben kreiert. - Es ist hilfreich zu reflektieren, wo uns die Angst und der Zweifel nutzt und wo er dies nicht tut.Zu uns zart zu sein hilft immer, Selbstvorwürfen dagegen nicht.
Es ist okay auch mal überfordert zu sein – es ist total in Ordnung das auch zu kommunizieren und wenn es ein „das stresst mich jetzt ganz schön, diese Situation“ ist.
Um Deinen Perfektionismus besser kennen zu lernen – seine Möglichkeiten und da wo er bremst – gibt es regelmäßig Kurse von mir. Egal ob Prokrastination, die hohen Ansprüche, die Dir viel Zeit kosten oder die Zweifel beim Start neuer Ding – es gibt Wege, dass Du das mit weniger Druck und mehr Leichtigkeit angehst.