Welche Dinge machst Du, in denen Du nicht besonders gut bist?

Vor einigen Jahren – es war ein Jännertag*, kalt, Raureif auf der Wiese, viel zu früh an einem Wochenende für mich, schon fast 10 Jahre her.
Er war nicht trüb, aber halt ein bisserl grundungemütlich. Mit über 20 Leuten haben wir uns zu einem Workshop getroffen. In Österreich gibt es das Wort tramhappert – Traum steckt da drinnen, am ehesten ist es ein schlaftrunken, somnanbul, rammdösig. Wir haben alle irgendwo Platz genommen. Neben mir ein Physiotherapeuten, der zehn Jahre jünger war als ich. Die erste Aufgabe war also zeichnen. Am frühen Morgen. Ich fing also an, er nicht. Er beobachtete mich und spitzte seine Farbstifte erstmals. Dann erzählte er mir, dass er schon sehr lange nicht mehr gezeichnet habe, aber dass das doch ganz lustig ausschaut. Er begann, vorsichtig, eins nach dem anderen, mit zunehmenden Spaß. Als das Blatt vor uns immer bunter wurde meinte er: „das nehme ich mir jetzt vor, häufiger Dinge zu machen in denen ich nicht gut bin.“

*Der Jänner ist der Januar in Österreich.

Dieser Satz hat mir zu denken gegeben. Mache ich Dinge, von denen ich weiß, dass ich sie nicht kann? Selten, noch seltener vor anderen. Aber ja, doch.
Ich mach sie seither häufiger und bewusster.
So habe ich bei meinem Journal drei Seiten fürs Schreiben und eine zum „Zeichnen“. Ich mach das meist täglich, manchmal in der Früh, manchmal tagsüber. Manchmal zeichne ich Farben, manchmal Formen, manchmal teste ich wie man ein Tier malt, oder eine Landschaft.

Letzten Mai habe ich einen Jodelkurs gemacht – ich habe darüber berichtet: „Hollarediria-ho“.

Und ich bin ein Fan von Ausprobieren und Testen – ja das sind Dinge, die ich nicht kann. „Komfortzone erweitern“ finde ich so ein großes Wort, ich bin da für „Komfortzone dehnen“.

Und wenn wir schon beim Singen sind: Seit Jänner ’24 bin ich bei einem Chor. Manchmal schaffe ich es wöchentlich, manchmal länger nicht und es ist okay. Es ist der ideale Chor für mich. Ich kann Noten nicht vom Blatt weg singen. Ich brauch jemand der mir den Anfangston vorgibt, dann kann ich mich dranhängen, dann klappt es auch mit dem Notenlesen. Ich hatte seither einige Auftritte mit Dingen, in denen ich nicht perfekt war, ja durch und durch unperfekt. Auf der Bühne stehen und zu wissen: Man macht das jetzt aus Lust und Freude und vielleicht Verbundenheit zu der tollen Truppe, aber nicht, weil man so brillant ist. Ja, das war anfangs herausfordernd. Und gleichzeitig durfte ich schon oft erleben, wie ich durch die Gemeinschaft aus meiner mittelmäßigen Performance herauswachsen konnte. Aber das wichtigste ist das Tun. Machen, nicht wegen dem perfekten Ergebnis, sondern wegen dem Machen. Und der Möglichkeit ganz Neues zu entdecken, das man nicht erahnt hat. Imperfektionismus mit dem Potenzial der Inspirationsquelle.

Die Artikel rund um die Kategorie Versagensangst gehören zu den beliebtesten im Perfektionismus-Blog. Über Versagensangst, Selbstzweifel, der Angst Fehler zu machen, Dinge nicht zu starten, weil man scheitern könnte, wird viel zu wenig gesprochen. In irgendeiner Form kennen wir sie alle, beim Perfektionismus ist es der Motor für die Leistung. Es ist ein kräftezehrender Antrieb. Angst ist nie ein guter Berater. Die Angst vorm Scheitern hält uns oft genug davon ab, Dinge zu machen. Theoretisch wissen wir das. Perfektionismus ist erlernt, tatsächlich kann man das umlernen. Es gibt dabei viele Wege zum Ziele.
Meine Angebote sind Kurse und Coachings. Und es gibt auch Kurzkurse und Kompaktworkshops, bei denen Du mich kennenlernen kannst, dazwischen auch immer mal Vorträge.